Paarprobleme durch Kriegstraumata?

Krumme Lanke im Herbst
Krumme Lanke im Herbst

Die meisten Paare führen Probleme in ihrer Beziehung auf mangelnde Kommunikation, Konflikte und Stress zurück. Schaut man näher hin, sind es weniger die Auseinandersetzungen über unterschiedliche Meinungen, sondern die dabei entstehenden Emotionen, die beiden zu schaffen machen.

 

Selbst wenn Streiten als sinnlos angesehen wird, kommt es zu Hause immer wieder dazu mit verheerenden Folgen: Vorwürfe, Rechtfertigungen, Verachtung und Mauern, die 4 apokalyptischen Reiter nach Gottman.

 

Diese Verhaltensweisen stellen sich als reflexhafte Reaktionen auf Verletzungen oder unaufgearbeitete Traumata aus der Kindheit heraus - die kindlichen Gefühle können dadurch weiter verdrängt bleiben und die belastenden Situationen aus der Vergangenheit werden nicht erinnert.

 

Die Aussage von Pierre Janet, einem der ersten Traumatherapeuten des 19. Jahrhunderts, bestätigt sich:

Wer ein Trauma nicht realisiert, ist gezwungen, es zu wiederholen oder zu reinszenieren.

 

Was hat das mit Kriegstraumata zu tun? Erlittene Traumata aus dem Naziregime, der Völkermord, der Krieg und deren Folgen wie Vertreibung, Flucht und Vergewaltigung von Frauen in Kombination mit den damals vorherrschenden Erziehungsmethoden der schwarzen Pädagogik wurden bis heute kaum aufgearbeitet und integriert.

 

Die meisten der Kriegsgeneration waren traumatisiert und nicht in der Lage, darüber zu reden - ihre Kinder wurden emotional vernachlässigt. Diese hatten nicht so etwas Schreckliches erlebt und bekamen deshalb zu hören: "Stell dich nicht so an!". Es war nicht opportun, eigene Traumata zur Sprache zu bringen angesichts des Leids, das Deutsche anderen Völkern, Juden und bestimmten Gruppen angetan hatten. Viele begruben die schrecklichen Erinnerungen unter einer Alltagsschicht von Funktionalität.

 

Durch Spiegelneurone werden die Gefühle der Eltern von den Kindern unmittelbar aufgenommen. Gerade wenn über Erlebtes geschwiegen wurde, war das schwer zu bewältigen. Die Eltern stürzten sich in Arbeit und Wiederaufbau, um zu vergessen, und griffen oft im Stress auf die Methoden der schwarzen Pädagogik zurück wie Härte, Pflichterfüllung, Unterdrückung von Gefühlen, Dressur.

 

In der 2. Generation gab es eine Gegenbewegung: antiautoritäre Erziehung, Suche nach Genuss, Sinn und Orientierung, politische Bewegungen wie Umwelt-, Friedens- und Frauenbewegung, aber auch die Ableger wie RAF, Ausstieg aus der bürgerlichen Gesellschaft und Drogenkonsum kamen auf. Und in der DDR die Weiterführung von Meinungsunterdrückung und Spionage gegen die eigene Bevölkerung. Diese Generation litt und leidet vermehrt unter psychosomatischen Symptomen und gilt als "schwach" oder "weich".

 

Die Enkelgeneration versucht, die Großeltern zu verstehen. Erst ihr ist es möglich, unvoreingenommene Fragen zu stellen nach den Erlebnissen und dem Verhalten der Angehörigen während der Nazidiktatur und erlittenen Kriegstraumata. Diese Generation gilt als neokonservativ: leistungsbezogen, mehr Härte gegen sich selbst, Rückbesinnung auf alte Werte.

 

In allen diesen Generationen sind die Folgen von Traumata in den Familien weitergegeben worden. Inzwischen weiß man durch die Epigenetik, dass Gene der Nachfahren durch psychische Belastungen ausgeschaltet werden können.

 

Die "German Angst" ist bekannt, die Neigung, durch Perfektionismus und Kontrolle unvorhersehbare Situationen zu vermeiden, die Unsicherheit, zu seiner Meinung zu stehen, wenn sie gegen den Strom ist,  Angst vor dem Unbekannten und Ressentiments gegen fremde Menschen, Probleme, mit Vieldeutigkeiten umzugehen und die Wiederherstellung eines einfachen Weltbildes durch das Wiederauftauchen von nationalsozialistischem Gedankengut in der Öffentlichkeit.

 

In der Familie oder in der Paarbeziehung tauchen dann Elemente von weitergegebenen Traumata in Form von Krisen oder Gewalt auf: ständiges Streiten, Rückzug, unangemessener emotionaler Bezug zum Partner, zur Partnerin und den Kindern, die Angst, dem Gegenüber Grenzen zu setzen und die Unfähigkeit, seine Bedürfnisse wahrzunehmen und zu äußern.

 

In der traumaorientierten Paartherapie können die Belastungen aus der Vergangenheit erkannt, die gegenseitigen Projektionen auf das Gegenüber aufgedeckt und ein Weg in ein liebevolles und erfüllendes Miteinander gefunden werden.